What is world literature?
Es ist eine Frage mit politischer Sprengkraft und eine Frage von historischer Tiefe und Ambivalenz. Es ist eine Frage, die sich mit vielen weiteren Fragen verknüpft: „What does it really mean to speak of a 'world literature' ? Which literature, whose world? What relation to the national literatures whose production continued unabadet even after Goethe announced their obsolence? What new realtions between Western Europe and the rest of the globe, between antiquity and modernity, between the nascent mass culture and elite productions?“(David Damrosch) David Damrosch ist einer von denjenigen, die sich diesen Fragen angenommen hat. In seinem Buch What is world literature? versucht er mit seinem Konzept von Weltliteratur einen Weg aus der Krise der Kulturen im Wettstreit mit einer Massen- und Globalkultur und vor dem Hintergrund des kolonialen Erbes aufzuzeigen. Ob es der einzige ist, bleibt abzuwarten.

Auch wenn der Begriff der Weltliteratur schon seit fast 190 Jahren durch die Welt geistert, variieren die Konzepte, die sich mit diesem Begriff verbinden, und unterliegen dem jeweiligen Zeitgeist. Johann Wolfgang von Goethe, der diesen Begriff der Weltliteratur erstmalig in seinen Gesprächen mit Eckermann ins Rennen warf, hatte darunter einen kleinen elitären Kreis von Dichtern verschiedener Nationen vor Augen. Eine Art Netzwerk, in dem Texte, Ideen und neue Impulse zur Erneuerung der jeweils anderen Kultur ungestört zirkulieren konnten. Weltliteratur als Markt moderner Ideen. Die Nähe zu Fortschritt und Ökonomie war es auch, die es Marx und Engels in ihrem Manifest der kommunistischen Partei leichtes Spiel machte, dem Verständnis von Goethes Begriff der Weltliteratur beizupflichten und ihn für ihre Theorien nutzbar zu machen. Es ging Goethe nicht um die Aufhebung nationaler Grenzen, außerdem muss festgehalten werden, dass der deutsche Nationaldichter Johann Wolfgang von Goethe selbst unter der damaligen Provinzialität und Uneinigkeit der deutschen Kultur gelitten und sich von dem Begriff der Weltliteratur auch für sich und seine Werke eine breitere Öffentlichkeit und Rezeption erhofft hatte.

Titelbild zu David Damrosch Buch "What is world literature"? Illustration: Dominique Vivant Denon: Voyage dans la Basse et la Haute Égypte (1802)
Damrosch entwirft vor dem Kaleidoskop des Goethschen Konzept von Weltliteratur und vor dem historischen Erbe und der Tradition Nordamerikas als Kolonialmacht ein neues Konzept von Weltliteratur. Für ihn lässt sich der Begriff Weltliteratur weder in der Summe aller Nationalliteraturen noch in der globalen Blase fassen. In einer Welt, in der Welten häufig kollidieren, in der die Rezeption von Texten politische Aussagen sind, in der Autoren ihre Leser fast ausschließlich nur noch außerhalb der Grenzen ihrer Kultur finden, in der es bei der Frage von Übersetzungen mehr um die Interessen und um das Image des eigenen Landes und der Kultur geht, in der die Postmoderne eine fast schon krankhafte Sucht nach Gegenwärtigkeit feiert, geht Damrosch einen eigenen Weg. Für ihn ist Weltliteratur keine Frage von Kanons (da jede Kultur ihren eigenen Kanon von Weltliteratur ausbildet und diese häufig von den Kategorien männlich und weiß dominiert würden) Weltliteratur sind alle Texte, die es schaffen außerhalb ihrer nationalen und kulturellen Grenzen zu zirkulieren, sei es als Übersetzung oder als Original. Das heißt zum einen, dass ein Werk jederzeit wieder aus dieser Zirkulation herausfallen kann. Zum anderen, und das ist das Entscheidende für Damrosch, ist, dass jeder Text der außerhalb seiner kulturellen Grenzen und in dem Prozess der Aufnahme in die Weltliteratur oder dem Herausfallen aus jener, einer Art des Refreamings unterliegt,. den er als Transkulturation bezeichnet. Wollen wir uns einem Werk zuwenden, müssen wir den Weg dieser Neurahmung nachvollziehen, um hinter das Geheimnis zu kommen. Genau das tut Damrosch. Damroschs Buch ist aber auch ein Seitenhieb auf den Strukturalismus und Vertretern wie Franco Moretti, die versuchen in jeder Kultur universelle Muster erkennen zu wollen.

Moretti, der angesichts der ungeheuren Masse an Literatur weltweit für eine Secondhand-Lektüre plädiert, dass heißt Einzelwerke der jeweiligen Nationalliteratur von Experten lesen und analysieren zu lassen und für den globalen Vergleich universelle Muster, die sich wellenartig über die Welt verteilten, herauszuarbeiten, bleibt uns jedoch die Antwort schuldig, was ist, wenn sich Experten irren und man sich nicht unbedingt und immer auf dieses Material verlassen kann?

Allen drei Vertretern, Goethe, Moretti und Damrosch ist jedoch eigen, dass sie weiter auf nationalen Grenzen und der Begrenztheit von Literaturen auf die jeweiligen Grenzen bestehen. Es ist VertreterINNEN wie Dorothee Kimmich, die die Frage in den Raum werfen, ob die neue Weltliteratur nicht die 'littérature mineure' ist. Es ist eine Literatur, die von einer Minderheit geschrieben wird, sich aber einer großen Sprache bedient. In dieser Literatur geht es nicht mehr darum, das Eigene und das Fremde voneinander zu separieren, sondern vielmehr um das irritierende Ergebnis, dass sich beides nicht voneinander separieren lässt. Es sind diese kleinen Literaturen, die nicht als Außenseiter am Rande der Gesellschaft dahinvegetieren, sondern sind diejenigen, die mir dem Leben ihrer Desorientierung Innovation für die fremde Sprache bringt.

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Erstellt von virgina woolf am 2014.04.07, 11:22.