Women and fiction: Wie kann Virginia Woolfs Essay "A room of own's own" unser Literatur- und Kunstverständnis heute noch schulen?
Das Thema Frauen und Literatur hat die Menschheit seit jeher gefesselt. Wobei zu fragen ist, was das eigentlich für eine Verbindung zwischen den beiden Feldern Frauen und Literatur ist? Eine Frage, der bereits Virginia Woolf in ihrem Essay „A room of own's own“ versucht, auf die Schliche zu kommen.: „The title women and fiction might mean, and you may have meant it to mean, women and what they are like; or it might mean women and the fiction they write; or it might mean women and the fiction that is written about them, or it might mean that somehow all three are inextricably mixed together and you want me to consider them in that light.“In ihrem Essay kommt Virginia Woolf zu dem Ergebnis, dass es mehr von Männern geschriebene Literatur über Frauen gibt, dass dieser Umstand das Bild von Frauen stark geprägt hat, so dass es schwer ist, wirkliche Zeugnisse von Frauen zu finden, die ein authentisches Bild von Frauen vermittelten. Diese Erkenntnis zeigt jedoch auch, wie verwoben die einzelnen Punkte sind. Warum Frauen lange Zeit unter den Schriftstellern und Autoren als Frauen unterrepräsentiert oder nicht vorhanden waren, lag oder liegt an den Umständen, dass Frauen lange Zeit nicht in der Lage waren, sich innerhalb ihres Zuhauses einen Raum für sich zum Schreiben zu schaffen (a room of own's own), ganz zu schweigen von einer finanziellen Grundsicherung, die ihnen das Schreiben ermöglicht hätte.

Betrachtet man die Geschichten von Judit und Ester im Alten Testament und ihre vielfältigen Darstellungen, bekommt man eine Ahnung davon, was dieses Thema für Dimensionen hat. Zwar verüben beide Frauen Rache, dennoch werden uns zwei verschiedene Frauenbilder vermittelt.
Francois-Leon Benouville. Esther ou Odalisque (1844), Musee des Beaux-Arts, Pau
Majestätisch, einer Königin ebenbürtig, liegt eine junge, schöne Frau, weich gebettet in einem prunkvollen, orientalischem Ambiente. Auch wenn die junge Frau den unteren diagonal durch ihren länglich ausgestreckten Körper abgetrennten Bildteil dominiert, wirkt sie im gesamten Bild, trotz ihrer Haltung, fremd. Sie, bleich, schmucklos, ja fast nüchtern, hebt sich von der Pracht ihrer Umgebung deutlich ab. Diese Andersartigkeit, Exotik macht sie in den Augen des dunkelhäutigen Dieners anziehend und anbetungswürdig. Es verlaufen zwischen den beiden Figuren jedoch auch klare, (kulturelle, geschlechtliche) Grenzen. Ohne den Titel wäre das Bild jedoch sehr unspezifisch. Eine hellhäutige, junge Frau, vielleicht von höherem Stand aus dem Orient. Keine typische Geste oder Kleidung, die sie eindeutig als Ester identifizieren könnte. Der Maler François-Léon Benouville selbst lässt es offen, indem er dem Betrachter die Wahl lässt, sich entweder Königin Ester vorzustellen oder Odalisque, eine türkische Sklavin oder Konkubine im Harem des ottomanischen Sultans. Die Nähe des männlichen Dieners und die Durchsichtigkeit ihres Kleides lässt eher auf die zweite Variante der Deutung schließen. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass, egal, was der Maler interpretiert und geschaffen haben wollte, es eine männliche Phantasie, eine männliche Fiktion über das Weibliche bleibt.
Die Uneindeutigkeit der Zuordnung liegt jedoch auch im literarischen Vorbild des Buches Esters selbst begründet. Ester ist keine Frau, die Eigeninitiative oder selbstständiges Handeln an den Tag legt. Von ihr wird berichtet, sie selbst erzählt nicht ihre Geschichte. In Aktion tritt sie erst, nachdem sie von Mordechai gebeten wird, eine diplomatische Zusammenkunft zwischen ihr, ihm und dem persischen König zustande zu bringen. Dass sie in die strategisch günstige Position gelangt, zunächst im persischen Harem zu leben und später persische Königin zu werden, verdankt Ester ebenfalls nur dem vorausdenkenden Handeln ihres Adoptivvaters Mordechai. Dass Ester nicht selbstständig handeln und entscheiden kann, immer von den Entscheidungen eines Mannes abhängig ist und bleibt, selbst als Königin, zeigt das Bild Claude Vignons. Ester nähert sich dem persischen Thron und dem persischen König Ahasver, ihrem Mann, in einer unterwürfigen und bittstellerischen Geste. Der persische König sitzt über allen Figuren erhaben auf seinem Thron. Ester ist ihrem Mann nicht ebenbürtig. Sie hat selbst keinen aktiven Einfluss auf das Ge- oder Misslingen ihres Unterfangens. Nur ihre äußeren Reize und die Geste der Unterwürfigkeit können ihren Mann milde und gut gesinnt stimmen. Vielleicht zeigt dieses Bild die spannendste Szene des Buches Ester, weil hier die Gefahr des Scheiterns der Mission Mordechais offensichtlich wird.
Claude Vignon, Esther bittet Ahasver (1624), Musée du Louvre Paris

Nachdem uns aus sowohl aus dem Buch Ester wie auch aus den Bildern die ganze männliche Sicht auf die holde Weiblichkeit entgegen gesprungen ist, bleibt offen, ob es auch anders geht. Um dieser Frage auf die Spur zu kommen, möchte ich als nächstes mich der Figur Judits zuwenden.

Judit ist wie Ester eine prominente, weibliche Figur im Alten Testament. Und dennoch hat sie mit Ester wenig gemein. Judit ist eine mit beiden Beinen im Leben stehende Frau aus dem Volk. Sie ist verwitwet und führt seit dem Tod ihres Mannes die Geschäfte weiter. In der Not ihres Volkes, das kurz davor steht, durch die Belagerung der Assyrer zu verhungern und zu verdursten, nimmt sie das Schicksal ihres Volkes mit der Hilfe Gottes in die eigenen Hände. Zusammen mit ihrer Magd macht sie sich auf in das feindliche Lager zum obersten Heerführer Holofernes. Mit ihren weiblichen Reizen und der Lüge, sie wolle zu den Assyrern überlaufen, da sie eingesehen habe, dass die Israeliten gegen diese Übermacht keine Chance habe, gewinnt sie das Vertrauen von Holofernes. In der dritten Nacht macht sie Holofernes so betrunken, dass sie ihm, während er seinen Rausch ausschläft, mit seinem Schwert den Kopf abschlägt. Mit dem Kopf des Holofernes schleicht sie sich zusammen mit ihrer Dienerin aus dem feindlichen Lager zurück. Zum Beweis der Verletzlichkeit und Besiegbarkeit der assyrischen Militärmacht schickt Judit den Kopf des Holofernes zurück an die Assyrer. Diese aktive, geballte Weiblichkeit zeigt sich auch in der textlichen Umsetzung. Kapitel 1-7 ist die Vorgeschichte des Konfliktes zwischen den Assyrern und dem jüdischen Volk. Mit Kapitel 8 tritt Judit auf die Bühne des Geschehens. Jedoch nicht nur in Form einer Erzählung über sie, sondern als Frau, die sich in einer Rede an ihr Volk wendet, nicht töricht zu sein und den Zorn Gottes auf ihr Volk zu lenken. Auch während der anderen Kapitel ist die wörtliche Rede Judits dominierend. Zu aller Verwunderung wird das Eingreifen und Einschreiten Judits, ihre Kritik an den Volksvertretern von allen gehört und akzeptiert.

Wie sieht nun die Darstellung dieses Frauenbildes in der bildenden Kunst aus? Es gibt eine männliche und eine weibliche Darstellungsweise. Zunächst zu der männlichen. Es macht fast keinen Unterschied, welchen männlichen Künstler aus welchem Jahrhundert oder aus welcher Epoche man auch heranzieht. Bei jedem dieser Künstler, bei jedem ihrer Bilder und Interpretationen der Figur und Geschichte Judiths drängt sich dem Betrachter eine spezifisch männliche Sichtweise auf die Frau auf.
Giorgione, Judith (1500-04), Eremitage St. Petersburg Ab der Renaissance wird neben der Heroin Judith ihre Weiblichkeit zum Thema. Giogiones Judit ist eine Verbindung der Konzepte der Judit aus dem Mittelalter und der beginnenden Neuzeit. Diese Judit ist im wahrsten Sinne des Wortes zweigeteilt. Vom Kopf bis zur Hüfte ist Judit die mittelalterliche, marienähnliche Judit und damit Symbol der Kirche, die den Sieg über die Feinde des Christentums errungen hat. Ab der Hüfte jedoch wird Judit zur verführerischen Weiblichkeit. Selbst der abgeschlagene Kopf des Holofernes labt sich noch an der verführerischen Aussicht. Manche gehen sogar soweit, in dem abgeschlagenen Haupt des Holofernes das Selbstbildnis des Malers Giogione zu sehen, der damit eine enttäuschende, schmerzhafte Erfahrung mit einer Frau zum Ausdruck bringen wollte.
Veronese, Judith und Holofernes (um 1580), Kunsthistorisches Museum Wien Auch in der nächsten Darstellung ist Judit blutjung. Ihre Magd jedoch alt, und um die Exotik noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken, wählte Veronese die Darstellungsweise einer dunkelhäutigen Magd.
Gustav Klimt, Judith I (1901), Österreichische Galerie im Belvedere WienFranz von Stuck, Judith und Holofernes (1926), Staatliches Museum Schwerin
Auch Gustav Klimt verarbeitete wohl in seiner Judith-Darstellung eine persönliche Erfahrung mit einer Frau. Anders jedoch als bei Giogione kann man bei Klimt jene Frau aufgrund ihrer äußeren Erscheinung identifizieren. Seiner Judith stand Adele Bloch-Bauer Modell, eine Frau mit der er ein Verhältnis hatte, und die ihn faszinierte und vor der er sich aber gleichzeitig auch fürchtete. Furcht, Faszination und Erotik. Dies ist das neue Frauenbild, für das die biblische Judit symbolhaft ab dem Symbolismus herhalten musste. Sie ist die neue femme fatale. Ein männermordender Alptraum. Der Mund lasziv geöffnet, die Augen niedergeschlagen, die Brüste verführerisch entblößt, der Kopf des Holofernes gleich einem nebensächlichem Streichelobjekt lässig am rechten unteren Bildrand. Klimt spielt mit den Geschlechterrollen. Denn sieht man genau hin, ist sowohl der Kopf Holofernes' als auch der der Judith abgetrennt, wie zum Austausch bereit. So ist entweder die Frau in der Lage, ihre Männlichkeit zu behauptet oder aber, es ist der letzte Triumph des Mannes, der Weiblichkeit die Krone aufzusetzen.
Auch Franz von Stuck spielt mit den Geschlechterrollen. In seinem Bild der Judith und des Holofernes verhüllt nichts mehr den weiblichen Körper. Judith als Inbegriff des Frauenideals der 1920er Jahre, groß, schlank, knabenhaft mit einer Bubifrisur. Der Kopfschmuck und die Ohrringe verleihen ihr etwas exotisches. In Judiths Hand das Schwert, selbst Phallussymbol, bereit damit die Männlichkeit des Holofernes abzuschlagen.

Eine Malerin des Barocks machte den Anfang, die männliche Sichtweise auf die Figur Judits und ihrer Geschichte zu brechen. Artemesia Gentileschi führt die weibliche Sicht ein und durchbricht die stereotype Darstellungsweise. Bei ihr ist Judith eine erfahrene Frau in den mittleren Jahren, glaubwürdiger für die Interpretation der Judit als Witwe. Ihre Dienerin dagegen ist blutjung. Judit ist zwar diejenige, die Holofernes auch hier enthauptet, allein vermag sie diesen Gewaltakt jedoch nicht zu vollbringen. Holofernes wehrt sich massiv gegen seine Abschlachtung. Deshalb benötigt Judit die Hilfe ihrer Dienerin, die den Oberkörper Holofernes' niederdrückt und zu bändigen versucht. Holofernes, eben noch bereit, selbst sich mit Gewalt der Frau zu bemächtigen, erfährt die Gegenwehr einer selbstbestimmten Frau. Eine Darstellungsweise, die die androzentrische Sicht auf die Dinge stark provoziert und die Schamesröte über das Ungeheuerliche ins Gesicht treiben lässt. Es muss an dieser Stelle zugestanden werden, dass auch Artemesia Gentileschi den Versuch einer verübten Vergewaltigung an ihr durch den Tasso mit aufs Tapet brachte.
Artemesia Gentileschi, Judith enthauptet Holofernes (um 1620), Uffizien Florenz
Aus rechtlichen Gründen darf ich die Bilder von Minna Antova hier nicht darstellen, da die Rechte bei der Künstlerin liegen. Es sei nur darauf verwiesen, dass die in Wien lebende, bulgarische Künstlerin ebenfalls einen Judith-Zyklus entworfen hat.

Auch bildlich bleibt Judit die spannendere, kontroversere Frauenfigur, neben der Ester verblasst. Es ist erstaunlich, dass in einer so patriarchalen Gesellschaft wie dem alten Orient eine solch starke Frau Eingang in das memoriale Gedächtnis einer Kultur und Religion gefunden hat. Ob der Text nicht doch von einer Frau stammen könnte? Es ist und bleibt ein Rätsel.

Und, egal, welchem Produkt der menschlichen Phantasie, des menschlichen Geistes und der menschlichen Kreativität man sich in Kunst, Literatur, Musik und Film man auch zuwenden mag, es gibt keine neutrale Sicht auf die Dinge. Alles hat seine Verortung und auch einen Hauch von persuasivem Charakter.